WARUM IST DAS MEER SO BLAU?
Physik und Biologie beeinflussen Lichtstreuung und Farbe der Meere. Eine Geschichte von Blaualgen, Gelbstoffen und roten Tiden
Von Frank J. Jochem
Textzusammenfassung
"Astronauten erschließt sich aus dem Kosmos sogleich der Charakter der Erde. Sie ist leuchtend blau, im Gegensatz zur sandgelben Venus und zum eisengesteinroten Mars. Die Ozeane der Erde machen nicht nur drei Viertel der Erdoberfläche aus, das von ihnen zurückgeworfene Sonnenlicht bestimmt auch ihre Farbe. Aber warum sind die Meere blau? ..."
Es ist nicht der blaue Himmel, der vom Meer reflektiert wird. Ganz im Gegenteil läßt der Wasserdampf der Meere den Himmel blau erscheinen.
Farbe ist kein materielles Phänomen, sondern hängt von der Wellenlänge des Lichtes ab. Kurzwelliges Licht sehen wir als "Blau", langwelliges als "Rot". Farbe entsteht durch das, was wir nicht sehen. Ein rotes Plakat erscheint rot, weil das Material, aus dem das Plakat gemacht ist, nur das rote Licht reflektiert. Blaues, grünes und gelbes Licht wird verschluckt - Farbe ist das Zusammenspiel von Reflexion und Absorption.
Bei der Farbe des Wassers tritt die Lichtstreuung hinzu. Rund 90 Prozent des Lichtes dringt in das Wasser ein, trifft innerhalb des Wassers auf Wassermoleküle, gelöste Stoffe und Partikel wie Sandkörner oder mikroskopisch kleine Organismen. Auch sie verschlucken dabei einen Teil des Lichtes, einen anderen Teil reflektieren sie diffus. Physikalisch gesprochen, wird das Licht gestreut. Deshalb gelangt ein Teil wieder an die Wasseroberfläche. Bei klarem Wetter bestimmt vor allem die Lichtstreuung die Meeresfarbe.
Klares Wasser ist physikalisch so aufgebaut, dass es vor allem blaues Licht reflektiert. Deshalb hat das eigentlich durchsichtige Wasser einen Blauschimmer. Je mächtiger eine Wasserschicht ist, desto "tiefer" blau erscheint das Gewässer. Auch ist ein offenes Meer blauer als ein Küstengewässer. Das liegt daran, dass mitten in den Ozeanen kaum gelöste Stoffe und Partikel existieren. In Küstennähe treten sie häufiger auf und verändern je nach Art der Zusatzes die Farbe des Wassers.
Pflanzliche Humusstoffe, sogenannte "Gelbstoffe", und auch mikroskopisch kleine Algen, das Phytoplankton, färben das Wasser grün. Treten Algen in großen Mengen auf, so färben sie das Wasser grünlich-braun, etwa in Nord- und Ostsee. Leicht rötlich färbende Blaualgen verhalfen dem Roten Meer zu seinem Namen. Sand- und Tonpartikel färben das Wasser ockerfarben, so etwa das Gelbe Meer vor China.
Bedrohlich wird es, wenn das Wasser blutrot wird. Diese "Roten Tiden", ausgelöst durch kleine Giftalgen, gefährden das Ökosystem und verursachen Hautirritationen und Durchfall beim Menschen. Regelrecht lebensgefährlich ist der Verzehr von Muscheln, die in einer roten Tide aufgewachsen sind, für die das Wasser ungefährlich ist.
Der weiße Korallensand im flachen Wasser der Korallenriffe reflektiert das Sonnenlicht direkt und hellt das Wasserblau zum charakteristischen Türkis der tropischen Strände von Cancún, Jamaica und Florida auf.
Es ist wohl dieser Zustand klarsten, durchleuchteten Wassers, der uns anzieht wie kein anderes Wasser. So ist es wohl kein Zufall, dass wir unsere Swimmingpools nicht braun, sondern türkis fliesen lassen.